Steuerfälle ziehen sich manchmal über Jahre hin. Mal liegt es an einer verspäteten Abgabe, mal an langen Bearbeitungszeiten im Finanzamt, an Streitigkeiten mit Betriebsprüfern oder an Prozessen vor Gerichten. Entstehen daraus Nachzahlungen so muss der Steuerpflichtige auch Zinsen an das Finanzamt leisten. Diese betrugen bisher 0,5 % für jeden vollen Monat, also 6% pro Jahr. Der sogenannte Zinslauf beginnt grundsätzlich nach einer Karenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Für das Jahr 2021 würde die Verzinsung demnach am 01.04.2023 beginnen.
Wie Ihnen sicher aus Medien und auch durch uns, als Ihren Steuerberater, bekannt ist, wurde die Zinshöhe in der Vergangenheit stark kritisiert, da eine 6%ige Verzinsung pro Jahr nicht mehr marktüblich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nun am 08.07.2021 diese Zinshöhe als verfassungswidrig erklärt (Pressemitteilung erfolgte am 18.08.2021).
Was dazu bisher bekannt ist, möchten wir Ihnen mit diesem Newsletter darlegen.
Wir und auch Sie wissen, dass das Steuerrecht schnelllebig ist wie kaum ein anderes Rechtsgebiet. Doch gerade bei den Steuerzinsen hat sich das Finanzamt trotz langandauernder Niedrigzinsphase nicht bewegt. So gilt seit 1961 unverändert der Zinssatz von 6% pro Jahr.
Inhaltsverzeichnis
1 Ab 2014 ist der Zinssatz verfassungswidrig
Der hohe Zinssatz war viele Jahre stark umstritten, wurde kritisiert und angezweifelt. Darüber hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden. Mit der Pressemitteilung vom 18.08.2021 zum gefällten Urteil wurden folgende Fakten geschaffen:
- für die Zeiträume 2010 bis 2013 sind die Zinsen verfassungsgemäß;
- von 2014 bis 2018 ist der Zinssatz zwar verfassungswidrig und realitätsfern, jedoch müssen die für diesen Zeitraum festgesetzten Zinsen nicht geändert werden;
- für alle Verzinsungszeiträume ab Januar 2019 darf die „alte“ Zinsregelung nicht mehr angewendet werden
Dies gilt allerdings nur für die Vollverzinsung, das bedeutet der Zinssatz für eine Stundung, eine Aussetzung der Vollziehung und auch der Hinterziehungszins soll unverändert bei 6% p.a. bleiben. Hier liegt es in der Hand des Gesetzgebers diese anzupassen oder dabei zu belassen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dem Fiskus offen gelassen.
2 Der Gesetzgeber muss Zinssatz senken
Bis zum 31.07.2022 muss der Fiskus eine Neuregelung für die Verzinsung schaffen. Einen genauen Zinssatz hat das Gericht nicht vorgegeben, doch muss er deutlich geringer ausfallen. Erste Stimmen sprechen von 0,25% pro Monat, andere vermuten sogar eine komplette Änderung und sprechen von einem variablen Zins.
Für zu hoch festgesetzte Zinsen muss nichts veranlasst werden, dies erfolgt dann automatisch durch das Finanzamt und die Gemeinden, sobald eine neue Zinsreglung getroffen wurde.
3 Welche Regelung gilt bis zum 31.07.2022?
Fakt ist, dass die Zinsen in der bisherigen Höhe nicht mehr verfassungsgemäß sind. Wir wissen aber auch, dass der Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 eine Neuregelung treffen muss.
Doch was ist mit den Steuerzinsen ab 2019, die in dieser Zeit festgesetzt werden?
Solange noch keine neue Regelung getroffen wurde, darf das Finanzamt den „alten“ Zinssatz nicht weiter anwenden. Es dürfen in den Bescheiden mit Datum ab 08.07.2021 keine Zinsen mehr festgesetzt werden. Sobald eine Regelung über die neue Zinshöhe getroffen wurde, werden die Bescheide geändert.
Für eventuell bereits erhaltene Erstattungszinsen greift der Vertrauensschutz. Das bedeutet die Bescheide dürfen nicht zu Ungunsten der Steuerpflichtigen geändert werden. Eine Rückzahlung zu viel erhaltener Zinsen entfällt.
4 Auswirkungen der verlängerten Abgabepflichten für 2019
Die Corona-Pandemie hat sowohl den Unternehmern als auch den Steuerberatern viele Mehrarbeiten abverlangt. Daher wurde die Abgabefrist der Steuererklärungen für 2019 bis zum 31.08.2021 verlängert – allerdings nur, wenn ein Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragt wurde. Diese Änderung wirkt sich natürlich auch auf den Zinslauf aus.
Für das Jahr 2019 bedeutet das Folgendes:
Der Zinslauf für das Jahr 2019 beginnt normalerweise am 01.04.2021. Mit der Verlängerung der Abgabefrist wurde auch der Zinskarenzzeitraum angepasst. Demnach wird frühestens am 01.10.2021 für das Steuerjahr 2019 eine Verzinsung erfolgen.
Beispiel:
Sie erhalten im Dezember 2021 die Steuerbescheide für das Jahr 2019. Auf die Nachzahlung dürfen Ihnen zunächst keine Zinsen berechnet werden. Wird zum Beispiel im März 2022 ein neuer Zinssatz von 0,25% pro Monat gesetzlich geregelt, so wird Ihr Bescheid dahingehend geändert, dass Ihnen insgesamt 0,50 % Zinsen für die Monate Oktober und November berechnet werden. Für den Monat Dezember 2021 fallen keine Zinsen an, da die Berechnung nur für volle Monate vorgenommen werden darf.
5 Fazit
Wir können also alle gespannt sein, wie sich die Regelung über die Steuerverzinsung ändern wird. Für uns alle ist es jedoch erfreulich zu lesen, dass nun nach ca. 60 Jahren die Zinsen im Steuerrecht angepasst werden sollen.
Fraglich bleibt nur noch die Höhe.
Bildquelle: AdobeStock_60249827
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