Im Rahmen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets vom 03.06.2020 hat die Regierungskoalition die Senkung der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) für den Zeitraum vom 01.07.2020 – 31.12.2020 von 19% auf 16% bzw. von 7% auf 5% angekündigt. Die endgültige Verabschiedung des Beschlusses soll am 17.06.2020 folgen. Bis dahin ist die Rechtslage noch nicht endgültig und verbindlich.
Ob diese Maßnahmen wirklich einen Beitrag zur Konjunkturerholung haben werden, ist sehr zweifelhaft. Klar ist dagegen, dass eine enorme bürokratische Belastung auf alle Unternehmen zukommt. Da ab dem 01.01.2021 zu den alten Steuersätzen zurückgekehrt werden soll, werden wir Unternehmer diesen Aufwand doppelt haben.
Unser Anliegen mit diesem Schreiben ist es, die wesentlichsten und drängendsten Fragen für Ihr Unternehmen zu klären.

Inhaltsverzeichnis
1. Anwendung alte oder neue Steuer?
Für die Frage, ob noch der alte Steuersatz von 19% (7%) oder bereits der neue Steuersatz von 16% (5%) anzuwenden ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Ausführung des Geschäftes an. In der Umsatzsteuer wird hierbei zwischen Lieferungen (Warenverkäufe etc.) und sonstigen Leistungen (Vermietung, Reparaturen, Beratung, Service etc.) unterschieden.
1.1 Zeitpunkt bei Lieferungen
Der Zeitpunkt der Lieferung ist der Moment, in dem das Risiko der Beschädigung oder des Verlustes der Ware auf den Kunden übergeht. In den meisten Fällen ist die Übergabe des Gegenstandes.
Bei der Übergabe von Bauwerken oder komplexen technischen Anlagen, ist der Zeitpunkt der Lieferung der Moment, in dem das vertraglich vereinbarte Werk an den Kunden übergeben wird. Dies ist in der Regel mit der Bauabnahme der Fall.
Bei Lieferung per Spedition kann der Moment der Übergabe durch die Verwendung von Lieferbedingungen wie frei Haus, ab Werk etc. (IncoTerms) abweichen. Dies ist dann gesondert zu prüfen.
1.2 Zeitpunkt bei Leistungen
Eine sonstige Leistung gilt als ausgeführt, sobald sie fertig oder beendet ist. Es kommt nicht darauf an, in welchem Zeitraum die Arbeiten durchgeführt wurden, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Fertigstellung oder Beendigung.
Im Fall von Reparaturen oder Bauleistung wäre das die Abnahme des Werks (z.B. Reparatur an einem Dach oder KFZ).
Für Beherbergungen in Ferienhäusern oder Hotels gilt die Leistung als ausgeführt, sobald der Gast auscheckt, also den Aufenthalt beendet hat.
Im Einzelfall kann die Entscheidung, wann eine bestimmte Leistung oder Lieferung als ausgeführt gilt, sehr knifflig sein. Im Zweifel stehen wir gern zur Verfügung.
2. Muss ich meine Preise anpassen?
Wenn Sie mit Ihrem Kunden bisher keine Verträge mit Nettopreisen zzgl. Mehrwertsteuer abgeschlossen haben, sind Sie nicht gezwungen, Ihre Artikel sowie Ihre angebotenen Leistungen mit neuen Preisen zu versehen. Sie können den Bruttopreis so belassen und durch die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes Ihren Nettopreis erhöhen. Dies ist rechtlich zulässig.
Bei bereits vertraglich vereinbarten Leistungen muss dagegen auf das geringere Brutto angepasst werden, da diesen Vorgängen meist Verträge mit Nettopreisvereinbarungen zu Grunde liegen.
Die Bruttopreise gleich zu lassen, macht jedoch nur bei Endkunden Sinn, die keine Unternehmer sind. Sofern Sie Leistungen oder Lieferungen an andere vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausführen, können sich diese die ausgewiesene Umsatzsteuer vom Finanzamt erstatten lassen. Für solche Unternehmerkunden bedeutet ein gleichbleibender Bruttopreis, bei Reduzierung der Umsatzsteuer um 3%, eine Erhöhung des Nettopreises um ca. 3%.
3. Folgen der Verwendung des falschen Steuersatzes
Die Auswahl des richtigen Steuersatzes ist für Sie wichtig. Sollten Sie einen falschen Steuersatz ausweisen, schulden Sie den falschen Betrag auch an das Finanzamt. Für den Kunden (Leistungsempfänger ist ein Unternehmer) bedeutet der falsche Steuerausweis dagegen, dass er keinen Vorsteueranspruch geltend machen kann.
4. Umsetzung der Änderung in der Praxis
Die Änderung des Mehrwertsteuersatzes sollten Sie so schnell wie möglichen umsetzen, da das Zeitfenster bis zum 30.06.2020 sehr knapp ist. Nutzen Sie hierfür unsere praktische Checkliste.
4.1. Anpassung Rechnungsprogramm + Kasse
Achten Sie bitte darauf, dass Sie beim Einsatz von elektronischen Registrierkassen eine Anpassung der Kasseneinstellungen vornehmen müssen. Außerdem müssen Ihre Rechnungsprogramme angepasst werden und Ihre EDV komplett auf die Umsatzsteuersenkung umgestellt werden.
In diesen Fällen empfiehlt es sich, sich mit den Kassenherstellern und den Softwareanbietern direkt in Verbindung zu setzen.
4.2. Anzahlungs- und Vorschussrechnungen
Bereits geschriebene Anzahlungsrechnungen mit 19%, die auch bis zum 30.06.2020 bezahlt wurden, müssen nicht korrigiert werden, auch wenn die Leistung erst ab Juli bis zum Ende des Jahres erbracht wird. Der Ausgleich kann über die Schlussrechnung erfolgen. In diesem Fall wird in der Schlussrechnung der neue Steuersatz von 16% auf den Gesamtbetrag der erbrachten Leistung angewendet und die Anzahlungen mit der 19%igen Umsatzsteuer abgezogen. Voraussetzung ist hierbei, dass die Umsatzsteuer aus der Anzahlung sowohl mit dem 19%igen Steuersatz, als auch mit dem Steuerbetrag offen ausgewiesen wird. Sofern Ihr Programm dies nicht gewährleistet, sollten Sie die Anzahlungsrechnungen reduzieren.
Anzahlungsrechnungen mit 19% Umsatzsteuer, die erst nach dem 01.07.2020 bezahlt werden, müssen korrigiert auf 16% korrigiert werden.
Sofern Umsätze bereits vor dem 01.07.2020 vereinnahmt wurden, die über den Leistungszeitraum 30.06.2020 hinausgehen (z.B. Zahlung der Jahresmiete im Januar), muss für den Leistungszeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020 eine Korrektur der Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer erfolgen.
Wann welcher Umsatzsteuersatz bei Anzahlungen anzuwenden ist, können Sie unserer Checkliste auf Seite 2 entnehmen.
4.3. Anpassung bei Dauerleistungen (Miet-, Leasingverträge etc.)
Für Miet- und Leasingverträge müssen die Verträge bzw. Dauerrechnungen befristet für den Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 angepasst werden. Dies ist zwingend erforderlich, da sonst wegen falschem Steuerausweis die nicht korrekte Steuer zu zahlen ist.
Empfehlenswert ist es hierbei neue Dauerrechnungen zu erstellen, da dies deutlich unbürokratischer ist, als neue Verträge auszustellen.
Wenn Sie Hilfe bei der Umsetzung der Änderungen benötigen, stehen wir gern zur Verfügung.
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